03.05.2018 Plädoyer für sozial-ökologische Modernisierung Sozialethische Studie zur Postwachstumsstrategien

Ende April 2018 hat die Wissenschaftliche Arbeitsgruppe für weltkirchliche Aufgaben der Deutschen Bischofskonferenz die Studie „Raus aus der Wachstumsgesellschaft? Eine sozialethische Analyse und Bewertung von Postwachstumsstrategien“ veröffentlicht. Die Studie diskutiert differenziert die zunehmende Markt- und Wachstumskritik und formuliert Handlungsfelder und -optionen für eine öko-soziale Modernisierung von Wirtschaft und Gesellschaft. Wirtschaftswachstum ist ein lange unbestrittenes zentrales Ziel zur Wohlfahrtssteigerung gewesen. Seit Anfang der 90er Jahre steht es in Konflikt mit dem globalen Ziel der nachhaltigen Entwicklung. „Immer offensichtlicher wird jedoch auch, dass die Fixierung auf stetiges Wachstum mit hohen sozialen und ökologischen Folgekosten verbunden ist, die nicht von den Verursachern getragen, sondern auf Andere abgewälzt werden.“ (Einleitung, S. 8) Einer solchen „Externalisierung von Kosten“, die Studie verweist auf den internationalen Bergbau, Textil- und Fleischproduktion, land grabbing (S. 49) müsse mit „verursachergerechten Preisen“, konkret einer CO2-Steuer, begegnet werden. In der Studie ist ein solcher gerechter Preis ein zentrales Instrument auf dem Weg einer sozial-ökologischen Modernisierung. Die von der Sachverständigengruppe „Weltwirtschaft und Sozialethik“ der Deutschen Bischofskonferenz erarbeitete Studie überzeugt trotz ihrer relativen Knappheit (96 Seiten). Sie achtet auf Verständlichkeit, der logische Aufbau ist stringent, die Argumentation differenziert. Zentrale Ergebnisse sind:

  • Wirtschaftswachstum muss dem Ziel einer nachhaltigen Entwicklung, dienen (Agenda 2030; Nachhaltigkeitsziele der Staatengemeinschaft – SDGs). Eine schrumpfende oder stagnierende Wirtschaftsleistung ist kontraproduktiv im Blick auf diese Ziele.
  • Das Potenzial technischer Möglichkeiten muss durch einen tiefergreifenden Kultur- und Wertewandel unterstützt werden (Leitbild der Suffizienz – Genügsamkeit; gesellschaftliche Transformation.
  • Das bisher dominante Bruttoinlandsprodukt muss um alternative Indikatoren für nachhaltige Entwicklung ergänzt werden, um den notwendigen gesellschaftlichen Umbau zu orientieren (z.B. Zufriedenheit, Lebensqualität, Gesundheit, Bildung, Leitbilder des guten Lebens).

Im ersten Kapitel legt die Studie ihren ethischen Ausgangspunkt (Leitbild der nachhaltigen Entwicklung, Gemeinwohl, Menschenrechte, nachhaltige Gerechtigkeit, weltweite Armut) offen. Das Wachstumsparadigma wird im zweiten Kapitel erläutert. Das dritte Kapitel zum Postwachstum ist eine gelungene Einführung, Übersicht und kritische Würdigung unterschiedlicher Ansätze der Wachstumskritik. Das vierte und fünfte Kapitel benennt Herausforderungen, Handlungsvorschläge und -optionen der sozial-ökologischen Transformation (Agenda 2030, Klimaschutz, Artenvielfalt, Mobilität, nachhaltiger Konsum, soziale Einbettung). Das sechste Kapitel thematisiert die Rolle der Spiritualität und Religionsgemeinschaften für die ökologische Umkehr. Das Kapitel greift Impulse der Enzyklika Laudato Si‘ von Papst Franziskus, wie die gesamte Studie, auf. Die Feststellung, dass die sozio-ökologische Krise eng verbunden mit einer spirituellen Krise der vorherrschenden Kultur ist (S. 87), gilt sicherlich über den christlichen Kontext hinaus.

Prof. DDr. Johannes Wallacher, Vorsitzender der Sachverständigengruppe „Weltwirtschaft und Sozialethik“, hat bei der Vorstellung der Studie auf die notwendige öffentliche Debatte als Voraussetzung der sozial-ökologischen Transformation hingewiesen. Für diese Debatte ist die Studie ein gelungener wichtiger Beitrag und ist ihr eine breite Wahrnehmung über kirchliche Kreise hinaus zu wünschen.

Die Studie kann über die Website der Deutschen Bischofskonferenz bestellt und heruntergeladen werden.